Die Umarmung: ein so alltägliches wie facettenreiches Motiv menschlicher Nähe, das für Zärtlichkeit, Geborgenheit, Erotik, Trost oder Freundschaft stehen kann – und heute plötzlich auch für Gefahr und Leichtfertigkeit.
Die Tanzproduktion umarmen befasst sich mit der Sehnsucht nach Umarmung als Ausdruck menschlichen Verbindens. In Zeiten von verbotenen Körperkontakten und damit einhergehender sprunghaft angestiegener Digitalisierung repräsentiert die Umarmung ein kostbares Moment menschlicher Nähe, vielleicht gar einen Anachronismus.
umarmen geht in abstrakter und spezifischer Bewegungssprache dem Verlangen nach Nähe, Verbundenheit und nach Angenommen-Werden im So-Sein nach – ein Tanzstück auf der Suche nach Nähe trotz Distanz.
Choreographie: Fabian Cohn
Tanz: Chiara Alessandro, Jonathan Bringert, Amie-Blaire Chartier, Gabriel Lawton und Mara Sauskat
Musik: Christian Grothe
Kostüme: Katharina Korb
Licht: Ole Schwarz
Dramaturgie: Dominika Cohn
Choreographische Assistenz: Marco Barbieri
Produktionsassistenz: Paula Warkotsch
2020
Aufführungen:
LOT-Theater, Braunschweig
boat people projekt, WERKRAUM Göttingen (abgesagt infolge Corona-Pandemie)
Theaterhaus Hildesheim (abgesagt infolge Corona-Pandemie)
Presse:
Mit einem Hauch von Zartlichkeit – Von Andreas Berger
Erschienen ín der Braunschweiger Zeitung vom 23.09.2020
Fabian Cohn buchstabiert im LOT mit seinen Tanzern alle Formen der Annaherung und Sehnsucht beim „Umarmen" durch.
Mit kumpelhaftem Schulterklatschen und Bussi-Bussi Umarmungen hat Fabian Cohns „ Umarmen" im LOT-Theater nichts zu tun. Der Braunschweiger Choreograph erkundet mit seinen fünf Tánzern der Yet Company hochsensibel und delikat das Körpergefühl von Individuen und wie sie sich sacht dem anderen nahern.
Da ist viel Zeitlupe, stilles, vorsichtig tastendes Entfalten zu seben, wenn der erste Tánzer überhaupt erst sich selbst entdeckt. Da wird den eigenen Berührungen nachgegriffen, als spürte man noch die Wárme der eigenen Hand, die sich ehen entfemt hat. Oder er kauert sich so zwischen die angezogenen Knie, als umarmte er sich selbst, schüfe sein eigenes Schutzknauel. Es entsteht dann aber auch ein schöner, befreiend ausgreifender Körperschwung, der endlich alle Beklemmung von sich wirft.
Die Tánzer gehen jetzt an die Grenzen der Schwerkraft, schwanken bis zum Fallen. Zwei fallen zusammen, absichtlich nochmal, betasten sich vorsichtig, weil man sozialen Abstand durchbricht, der andere fasst nach, führt des Gegenübers Hand an sein Gesicht, wird von ihm geschaukelt und getragen. Spürbar wird in der herausgezögerten Berührung die Sehnsucht, in der Umarmung der Wunsch nach weiterer Geborgenheit.
Starker erotisches Begehren scheint auf, als ein Tánzer dicht vor einerTánzerin steht, Gesicht an Gesicht, aber ohne Berührung. Die Sehnsucht ist greifbar. Doch er zögert, ihre Umarmung zu erwidern, entzieht sich, sie bleibt mit den ausgebreiteten Armen allein. Nicht jede Sehnsucht erfüllt sich. Die Körpererkundungen tragen so auch Geschichten in sich.
Cohn wechselt gut das Tempo, kontrastiert die vielen langsamen Annaherungen, Körperdehnungen und Raumergreifungen mit flotten Gruppenszenen, in denen die Tánzer wie Fische auf dem Boden zappeln oder sich verknaulen. Dann wieder ruhige Seitenlage, die Beine schweben im Raum, als streichele nun die Luft die Körper. Es ist schön zu sehen, wie Cohn quasi Muskel für Muskel entdeckt, spürbar macht, zum Ausdruck bringt. Eine elegante, elementare Tanzsprache. Chiara Alessandro, Jonathan Bringert, Amie-Blaire Chartier, Gabriel Lawton und Mara Sauskat fügen sich ihr sensibel ein.